„Ich schreibe Love Songs über queere Liebe, weil es zu wenig davon gibt.“

Ebow rappt über Feminismus. Über soziale Ungerechtigkeit. Über Migration. Auch Liebe ist für die deutsch-kurdisch-alevitische Rapperin ein Politikum und zugleich themengebend für ihre neue EP "EBOW 400".

 

Protokoll: Anna K. Baur / Fotos: Joanna Legid

Ebow ist nicht das Mädchen, das versucht, sich aus den Zwängen einer streng religiösen Familie frei zu rappen. Sie studiert Architektur, nicht die Straße. Sie redet wie sie rappt. Sie ist vorlaut, ist überlegt, ist sanft, ist stark, ist schüchtern. Die Abwesenheit von Stereotypen spiegelt sich auch in ihrer Musik wider. Für HipHop-Festivals sei sie nicht HipHop genug, für andere Sparten zu experimentell oder zu hiphoplastig. Im Interview erzählt sie, dass es aus diesem Grund sehr lange gedauert hätte, eine Booking-Agentur zu finden. „Ich glaube, dass die Industrie keine Schublade für mich hat.“

Ebow rappt seit sie 13 Jahre alt ist. Mal hieß sie „Queen Size“. Mal „Caramel“. Erst mit 18 Jahren legte sie sich sich auf Ebow fest. „Ebow” sei eigentlich die dörfliche Aussprache ihres Namens „Ebru”. Ihre Oma und ihr Papa hätten sie immer so gennant, erzählt sie. Ebow ist mit ihrer kurdisch-alevitischen Familie in München aufgewachsen. Ihre Mutter war im Alevitischen Verein für Europa tätig. „Ich habe gesehen, wie sie vor 10.000 Menschen Reden hielt. Das hat meine Musik geprägt. Für mich ist es immer wichtig gewesen, Musik zu machen, die politisch ist.” Auf ihrem letzten Album „Komplexität“ (2017) rappt Ebow ihre Meinung zu Migration, Waffenpolitik, Feminismus, soziale Ungerechtigkeit, aber auch zu Social Media und Dating. Roh. Ungeschönt. Ehrlich? Zum Teil. “Ich habe lange versucht, zu verheimlichen, dass es in meinen Songs über Dating, um Girls ging.“ Bis jetzt.

"Ich glaube, dass viele Frauen in der Musikindustrie mit den alten Strukturen zu kämpfen haben. Man sitzt mit Männern an einem Tisch, die für einen reden wollen, aber die eigene Perspektive nicht nachvollziehen können." (Ebow, 2019)

Ebow über ihre neue EP „EBOW 400“ (1.August 2019):

„’EBOW 400′ ist das erste musikalische Werk, das ich unter meinem eigenen Label ‘ALVOZAY’ release. Ich glaube, dass viele Frauen in der Musikindustrie mit den alten Strukturen zu kämpfen haben. Man sitzt mit Männern an einem Tisch, die für einen reden wollen, aber die eigene Perspektive nicht nachvollziehen können. Mich davon zu befreien, hat lange gedauert. Bei der Umsetzung dieser EP hatte ich endlich alle Freiheiten.

Ich habe mich für Love Songs entschieden, weil ich denke, dass wir sie brauchen. Wenn wir verliebt sind oder Liebeskummer haben, sind unsere Gefühle und Gedanken im Ausnahmezustand. In dieser Situation einen Love Song zu hören, der genau erklärt, was man empfindet und denkt, hilft dabei, die innere Ruhe wiederzufinden, die Gedanken und Gefühle zu ordnen.

Ich schreibe Love Songs über queere Liebe, weil ich finde, dass es davon zu wenig gibt. Auch ich habe lange versucht, zu verheimlichen, dass es in meinen Songs um Girls geht, weil ich Angst vor Ausgrenzungen hatte. Ich habe immer alles so umgeschrieben, dass die Lyrics am Ende an einen Typen gerichtet waren. Jetzt bin ich 29 Jahre alt und an einem Punkt, an dem ich niemandem mehr etwas vormachen möchte. Bei meinem letzten Album habe ich es relativ offen gelassen. Kein Gender benannt. Jetzt dachte ich: ‘Go for it’.

Die EP bedeutet mir sehr viel, weil ich mich getraut habe.”

EBOW 400

Ey, ich nehme dir deine Schmerzen
Nenn mich Ebowprophen.
Nimm mich einfach ein
Ich lass alles vergehen
Ebow 400, Ebow 400
Ebow 400, Ebow 400

Mach dich unverwundbar.

 

„Ich habe für die EP bewusst Beats gewählt, die ich für eine LP nicht nehmen würde. Ich wollte einen anderen Vibe haben, es musste und sollte nicht konzeptionell sein. ‘Unverwundbar’, weil ich weiß, Dinge können stressig werden, aber lass dich auf mich ein und ich nehme dir den Schmerz weg. Haha, das hört sich nach einem richtigen Fuckboy an. Ich wollte einen Song über Pussies machen, von einer queeren Kanak-Frau, die das auch noch auf einen Tanzmann-Beat packt. Ich glaube, das wäre sonst nie passiert.

Nicht aus dieser Perspektive. Deswegen habe ich ‘EBOW 400’ geschrieben.“

4%

Alles was du sagst stimmt
Ich bin wirklich so wie du denkst, dass ich bin
Ist das schlimm?
Alles was du denkst stimmt
Ich bin wirklich so wie sie sagen, dass ich bin
Ist das schlimm?
 

„Wenn man eine Beziehung mit jemandem eingeht, kannst du deine Flaws nicht draußen lassen. Und man hofft einfach so sehr, dass die andere Person einen trotzdem mag. Einfach sagen zu können: ‘Ich bin so wie du mich wahrnimmst, ich will dich nicht anlügen.’ Ich kann daran arbeiten, deshalb auch die Frage: ‘Ist das schlimm?’ In der Zeile ‘Ich bin wirklich so wie du denkst, dass ich bin’, geht es um Vertrauen. Ein Großteil unserer Kommunikation findet heutzutage online statt. Da kann einiges missverstanden werden, man muss den Personen, mit denen man näher zu tun hat, ein gewisses Vertrauen entgegenbringen. Ich sage: ‘Hey, ich liebe dich und ja, ich habe diese Fehler, aber das sollte das kleinste Problem sein.’ Ich glaube, viele Beziehungsprobleme stehen heutzutage im Zusammenhang mit der Online-Welt. Daher die Zeile: ‘Sage deinen Leuten, wir gehen offline.’ Ich möchte in meiner Beziehung nicht darüber diskutieren, was online passiert; wer wem schreibt, welche Bilder man gelikt hat. Ich möchte im echten Leben sein. Offline ist für mich das Private.“

 

4 AM

Ich warte bis warte bis, du mir schreibst
Warte bis warte bis, du mir schreibst
Warte bis warte bis, du mir schreibst
Bleibe wach die ganze Nacht
Liege wach den ganzen Tag

„Ich habe die Hook aufgenommen, als ich auf Tour war. Während ich gewartet habe, dass mein Crush mir schreibt. Ich habe die Lyrics meinem Handy zugesungen. Ich glaube, damit können sich einige Menschen identifizieren. Man hat einen neuen Crush, ist verknallt und wartet die ganze Zeit, bis die Person einem schreibt. Und dank Social Media kann man so gut verfolgen, was die Leute gerade machen. Du siehst in den Stories, was die Person macht, mit wem sie abhängt. Vielleicht ist man die Person, die Zuhause sitzt und denkt: ‘Oh man, schreib mir doch einfach, oder sag mir, wo du bist, oder lade mich ein. Irgendetwas.’ Ich wollte den Zustand des Wartens, bis die Person einem schreibt, einfangen.“

4U

Sie will meinem Namen in ihrem Herz haben
Sie will mich nachts in ihrem Bett haben
Sie gibt ‘nen Fuck auf was sie hinterher sagen
Nimmt sich was sie will und sie will mehr haben

„Dieser Song ist zweideutig. Man kann ihn hören und denken, dass ich ‚sie’ bin oder eine andere Person. Entweder man hört ihn und denkt: ‘Yasss, I’m that bitch’ oder man hört ihn und denkt, ‘That’s my girl.’ Deswegen unterscheidet sich ‘4U’ von den anderen Songs. Ich habe für den Song nach Baile-Funk-Songs geschaut und dieser war dabei. Ich fand ihn direkt gut.“

Über die Rapperin Ebow.