“Mir ist es wichtig nicht nur einem ‘Trend’ nachgehen zu müssen, in der Hoffnung mehr Anerkennung dafür zu erhalten.”

“Ich möchte in meiner Fotografie auch Themen einfließen lassen können, die mich beschäftigen.“ – Akberet Johanna Ghebray, 2020
Die Fotografin Akberet Johanna Ghebray @jo.frotastic ist als Tochter eritreischer Eltern in Stuttgart geboren und aufgewachsen. In ihren Bildern lichtet sie mehrheitlich BIPOC’s ab. Was unterbewusst anfing, kann sie mittlerweile einordnen und sieht darin den Wunsch, sich mehr mit ihrem Subjekt identifizieren zu können, um sich dadurch auch mehr mit ihrer eigenen Identität auseinanderzusetzen.
Mehr über Johanna erfahrt ihr in den #heartxwork Slides
“Tu es chez toi.” (Du bist Zuhause)

„Von allen Seiten hörte ich diesen Satz, als ich zum ersten Mal nach über zehn Jahren wieder das Heimatstädtchen meines Vaters, Fria, betrete.
Unser Fahrer manövriert das klapprige Auto, in dem wir seit zwei Stunden dicht an dicht ausharren, über die holprige, rotbraune Erde zum Haus meiner Familie.
Es ist heiß, ich bin ungeduldig, voller Vorfreude und etwas nervös. Nervös vor dem Berg an Emotionen, der sich innerlich aufgebaut hat und darauf wartet auszubrechen.
Als hätten meine Cousins ewig in den Startlöchern gestanden, rennen sie dem Auto freudig entgegen, führen mich auf den Hof, während sie meine Koffer auf ihren Köpfen balancieren.
Meine Oma Kindima, die Arme in der Luft wedelnd, lachend, weinend, singend, presst mich an sich und ich wünsche mir, nie wieder von ihr losgelassen zu werden. Unsere Beziehung ist besonders. Der gleiche Name scheint uns auch auf seelischer Ebene zu vereinen. Wir beide spüren es.
Hände reichen, Umarmungen, Tränen, tanzen – die nächsten Tage gehen wir die Nachbarschaft begrüßen – unglaublich viele altbekannte Menschen– schnell vergesse ich die Ewigkeit, die mich so lange von diesem wunderschönen Land getrennt hatte. Zwar spiegelt sie sich in so manchen Gesichtern wider und auch die Stadt Fria musste wirtschaftlich und ökologisch einiges einstecken – dennoch ist die Magie präsent.
Sechs Wochen lang darf ich lernen, was Gemeinschaft bedeutet. Was es bedeutet sich Zeit für Menschen zu nehmen und dass ein soziales Leben die Fülle des menschlichen Daseins präsentiert. Ich fühle mich Zuhause. Auf den Straßen Frias stoppe ich alle paar Meter, um Bekannte zu begrüßen. Wir machen Witze, fragen nach der Familie und verabschieden uns mit: ‘En djoni si Allah djabi’ – ‘Bis ganz bald, wenn Gott es will.’“ – Matilda Kindima Bah, 2020
Die 22-jährige Agrarwissenschaft-Studentin Matilda Kindima Bah @bahkindima ist mit einer deutschen Mutter und einem guineischen Vater in Hannover aufgewachsen. Identitätsfragen haben sie in den letzten Jahren dazu bewegt, sich tiefer mit ihrer afrikanischen Herkunft auseinanderzusetzen. Momentan genießt sie den erstarkenden Zusammenschluss von (B)PoC’s in Berlin.
“Meine Erfahrung als queere Chinesin in Berlin ist meist befreiend.”

“Abgesehen davon, dass ich meistens als chinesische Künstlerin beschrieben werde, kann man bei mir noch die andere Schublade aufmachen: ‚queer’. Aufgrund dessen ist meine Erfahrung, als queere Chinese in Berlin, meist befreiend. Vor allem im Vergleich zu meinem Heimatland. Meine Mitmenschen in Berlin haben mir geholfen, viele Probleme, die ich in Bezug auf binäre Geschlechterrollen, toxische Schönheitsideale und der eigenen Wahrnehmung meines weiblichen Körpers hatte, zu überwinden.”- Lexi Sun @gieesio
Die Arbeiten der 26-Jährigen Fotografin Lexi Sun @gieesio sind eine Mischung aus Installation, Performance, Fotografie, Bewegtbild und Ton. Lexi untersucht die Grenzen zwischen Mode und Kunst und versucht sie neu zu gestalten. In ihrer persönlichsten Foto-Serie ‘Ja, sie ist schön, aber du musst sie gehen lassen’ verarbeitet sie ihre Erfahrungen mit queerer Liebe.
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“Ich bin gut im Verdrängen geworden, so wie meine Mutter.”

Der Polizist am Kigali Flughafen glaubt mir nicht, dass ich einen Großvater in Musanze habe. Bei dem Bild meiner Mutter guckt er auch skeptisch. Ich sei ja ‘weiß’ (Umuzungu) und sie ‘schwarz’.
Wir fahren am nächsten Tag direkt in den Norden weiter. Drei Stunden im ruandischen Flixbus. Es läuft Musik aus Tanzania, die Hügel werden immer größer und grüner, ich esse Samosas. Mir ist schwindelig wenn ich aus dem Fenster schaue und ich sehe Hügel, Teeplantagen, dunkle Erde, Bananenbäume, wieder Hügel, Wälder, Ziegen, Menschen, drei Vulkanen, zwei Seen, hunderte Avocado-Bäume, tausende Bananenbäume. Beim Reinfahren in die Stadt Musanze, zeigt mir Mama das Krankenhaus, in dem ich geboren bin.
Auf dem Weg zum Haus meines Großvaters treffen wir ältere Frauen, die Mama vermisst hatte. Sie dachte sie seien im Krieg verschollen. Alle haben feuchte Augen. Mein Opa sitzt, wie immer in Anzug und Hemd, auf seinem Thron und schaut auf sein Reich herab. Alle schauen mich an. Manche nennen mich ‘Umuzungu’, wenige ‘Métis’. Nur diejenigen, die Mama kennen, wissen, dass ich ihre Tochter bin. Auch von ‘hier’ bin. Mit meinen Cousin*innen kann ich mich nicht unterhalten. Ich spreche Deutsch, Französisch, Englisch. Kein Kinyarwanda.
Wieder in Kigali. Wir gehen abends was trinken, spazieren nachts durch die Straßen. Lichter und Sterne paaren sich im Horizont. Die Luft ist warm. Meine Seele ist Zuhause. Wir laufen am ‚Hotel des Milles Collines‘ vorbei. Stille. Hotel Ruanda. Man kann sich kaum vorstellen, was hier noch vor 26 Jahren geschah. Ich will es mir nicht mehr vorstellen. Ich bin gut im Verdrängen geworden, so wie meine Mutter.” – Joanna C. Schröder, 2020
Die Fotografin und heartxwork Mitgründerin @joannalegid ist im November letzten Jahres mit ihrer Mutter in ihr Herkunftsland Ruanda gereist und hält in Wort und Bilder fest, wie es sich anfühlt, auch im ‚dort‘ fremd zu sein. Ihre Foto-und Videoreportage findet ihr in den Slides
“Ich habe die Fotografie unbewusst genutzt, um diese verlorene Person, um meine Wurzeln, zu verstehen.”

„Mein Vater ist gestorben, als ich drei Jahre alt war. Ich kann mich nicht mehr an ihn erinnern. Ich hatte nur die Bilder von ihm. Ich habe ihn anhand dieser Bilder kennengelernt. Sie waren meine wichtigste Informationsquelle. Ich habe die Fotografie zuerst unbewusst genutzt, um diese verlorene Person, um meine Wurzeln, zu verstehen. Dann habe ich angefangen, neue Bilder zu kreieren und zu de/konstruieren was noch übrig war, um meine verlorene Erinnerung, meine Existenz wiederherzustellen. Ich habe die Beziehung zwischen der*demjenigen hinter der Kamera und dem Subjekt, in Frage gestellt. Intersektion/Interaktion beider Existenzen im selben Moment. Die Frage kam auf, weil ich mich zuerst mit den Bildern, die wir von meinem Vater haben, beschäftigt habe. Die, auf denen er zu sehen war. Nach einiger Zeit habe ich mir die Bilder angesehen, die er gemacht hat. Die Fotografien haben mir meine Art und Weise gezeigt, das Leben, Erinnerungen, Traumata zu verarbeiten; zu heilen, zu verstehen. Mittlerweile fotografiere ich selbst, mache Videos, um weiterhin zu verarbeiten, zu verstehen, um nicht zu vergessen, um mich selbst nicht zu vergessen, um nichts zu verpassen. Ich kreiere Bilder, weil ich Angst habe zu verlieren – oder verloren zu gehen. Um mich selbst zu orten, um zurückzuverfolgen, was passiert ist, wo ich mich befinde und um festzuhalten, was mal war und nicht mehr ist.“ – Ceren Saner
“Es ging nur um das Menschliche.”

Katharina Maria Pechs Blick auf Bangkok war lange Zeit von ihren Verwandten geprägt. Während ihres letzten Besuchs begibt sich die deutsch-thailändische Fotografin auf die Suche nach einer unabhängigen Sichtweise auf ihre zweite Heimat und findet einen Ort, an dem die Frage nach der Herkunft, zum ersten Mal in ihrem Leben, keine Rolle spielt.
“Du solltest öfter ‘normale’ Menschen fotografieren.”

Die Bilder des deutsch-koreanischen Foto- und Videokünstlers Hee-Seong Han erzählen Geschichten, die es eigentlich nicht gibt. Kein vorgegebenes Narrativ. Nur die Momentaufnahme, deren Ausdrucksstärke die Fantasie des Betrachters anregen soll. Seine Inspiration sind Filme aus Südkorea und Hongkong.
“Wie wir voneinander lernen können.”

Joanna Catherine Schröder kam mit zwölf Jahren nach Deutschland, Meklit Fekadu mit sieben Jahren. Sie beide sind Fotografinnen geworden. Ihre Arbeit bestimmt die Frage nach der Identität. Nach ihren und anderen Identitäten. Für heartxwork haben sie sich getroffen, um sich gegenseitig mit der Kamera zu befragen und voneinander zu lernen.
“Wenn ich im Iran bin, spüre ich die Erinnerungen meiner Eltern.”

Der Fotokünstler Pujan Shakupa beschreibt seinen Stil als „Inszenierung in der Realität“. Er konzentriert sich auf geometrische Formen, Details und Auffälligkeiten, die erst durch die Wahl seiner Bildausschnitte und subtilen Eingriffe sichtbar werden. Im Iran sind seine emotionalsten Bilder entstanden.
“Fotografie war für mich notwendig, damit sich mein Leben leichter und besser anfühlte.”

Eylül Aslan fotografiert den Körper in Fragmenten, nur selten Gesichter. Die Identität ihrer Modelle bleibt – mithilfe von Schattenspielen und Objekten – häufig verborgen. Die türkische Fotografin konzentriert sich auf Details, lockt Unscheinbares hervor, versteckt das Offensichtliche. Ihr Stil ist auf der Suche nach einem Ausweg entstanden. Dem Ausweg aus den gesellschaftlichen Zwängen ihres Heimatlandes.